Ein paar Tage im Kloster

Dezember 1, 2009 at 6:52 pm (Reportage) (, , , , , , )

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Kloster "Schwestern der christlichen Liebe" in Paderborn

Es gibt sie, diese Situationen, wo man am Ende zu sein scheint, und es geht nicht mehr weiter. Kein Ausweg mehr in Sicht. Im Irrgarten angekommen, mittendrin, und jetzt? Dieses Drehen um sich selbst, im Kreise und die Gedanken bleiben hängen, tonnenschwer, keine Kraft, alleine daraus zu finden. Was ist passiert? Zu starke Belastungen, Stress am Arbeitsplatz, Arbeitslosigkeit, Verlust eines Menschen, Umzug, chronische Überforderung, wenig Sozialkontakte etc. Diese Situationen können ins Chaos der Gefühle, der Gedanken, der körperlichen Schwäche, der Ohnmacht und Hilflosigkeit führen.
So ging es auf jeden Fall der Frau Trauer, als sie erfuhr, dass ihr Partner eine Liebelei hat, und das nach 23 Jahren. Zwei wochenlang streikte ihr Körper. Nicht mehr aufstehen wollen, keinen Appetit mehr haben, nichts mehr hören, nichts mehr sehen und nichts mehr wissen wollen. Dann brachte eine gute Freundin ihr eine Kerze mit dem Spruch: „ Immer, wenn du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her, dass du es noch einmal wieder zwingst und von Sonnenschein und Freude singst, leichter trägt der Alltags harte Last und wieder Kraft und Mut und Glauben hast.“
Diesen Spruch kannte Frau Trauer von der Kirche, obwohl sie schon lange die Institution Kirche als solches nicht mehr besucht. Aber Kraft und Mut aus dem Glauben zu schöpfen, ja daran glaubt sie. So entwickelte sich ein kleiner Lichtblick in ihrem unglücklichen momentanen Dasein. Der hieß Tapetenwechsel. Es sollte keine Fahrt oder ein Besuch zu Freunden, Verwandten etc. werden. Sondern eine Zeit nur für Frau Trauer alleine. Wohin? Aktuell hat sie schon des Öfteren von Klosterbesuchen, Exerzitien, Tagen der Besinnlichkeit und Orientierung gehört. Nach guter Recherche hat Frau Trauer den Mut gefasst und sich telefonisch bei den Ordensschwester der christlichen Liebe in Paderborn gemeldet. Diese Kongregation wurde 1849 von Frau Pauline von Mallinckrodt(1817 – 1881) gegründet. Frau Mallinckrodt kümmerte sich schon früh mit ihrer Mutter zusammen für die Belange der Armen und Kranken. Sie entwickelte ein Auge für Menschen am Rande. Auch sorgte sie sich um Kinder und Jugendliche und vor allen Dingen um Blinde. 1840 gründete sie eine Bewahrschule für Kleinkinder und 1847 eine private Blindeneinrichtung. Sie hatte die Höhere Töchterschule besucht, und sammelte schon als Kind die Scherben auf der Straße auf, damit die armen Kinder, die ohne Schuhe liefen, sich nicht die Füße verletzten.

Pauline von Mallinckrodt

Noch heute arbeitet dieser Orden in Einrichtungen für Blinde, mit alten und kranken Menschen, ist tätig in der Seelsorge und der religiösen Bildungsarbeit und ist vertreten in Deutschland, Italien, Nord- und Südamerika und auf den Philippinen. Das Mutterhaus in Paderborn, wo sich Frau Trauer meldete, bietet u.a.: Tage der Stille, Exerzitien, geistliche Begleitung in Einzelgesprächen und Mitfeier von Stundengebet und Eucharistie. Dort rief Frau Trauer an.
Das erste Telefonat enthielt schon eine Ausführlichkeit über die Möglichkeiten des Aufenthaltes in dem Kloster, angefangen natürlich mit den angebotenen Seminaren etc bis hin zu Terminen, entstehenden Kosten und der Frage, nach dem Warum des Aufenthaltes in dem Kloster. Natürlich war Frau Trauer schon entsprechend verbunden worden und verfügte nach diesem Gespräch schon über Details. Selbst ein Termin wurde vereinbart. Aufregend. Den ersten Termin sagte Frau Trauer ab, denn mit diesem kurz bevorstehenden Klosteraufenthalt konnte sie sich nicht gleich anfreunden, alleine schon aus Unsicherheit zu einem neu gewagten Schritt in ihrem Leben.
Jedenfalls wusste sie, dass sie jederzeit kommen konnte, und sie hatte nicht das Einzelzimmer im Bildungshaus, sondern das Einzelzimmer bei einer kleinen Schwesterngruppe im Ostflügel des riesigen Klostergebäudes zugesagt bekommen. Das hieß: gemeinsamer Alltag und die Einnahme der Mahlzeiten, Teilnahme an den gemeinsamen Gebeten und täglich ein Einzelgespräch mit der Seelsorger-Schwester, die auch zu dieser Gruppe gehörte.

Der zweite Anlauf klappte. Die Ankunft im Kloster erfolgte nach Absprache um 14.45 Uhr. Die Seelsorgerin nahm Frau Trauer in Empfang und erklärte und zeigte ihr die Gegebenheiten. Zum Abendbrot um 18.00 Uhr trafen sie sich wieder. Jeden Abend um 19.00 Uhr wurden die Nachrichten geschaut, danach ein Spaziergang und anschließend war Abendruhe.
Der zweite Tag begann mit dem Frühstück um 7.15 Uhr. Am weiteren Vormittag gab es eine kleine Stadtbesichtigung. Oh, Paderborn ist eine sehenswerte Stadt. Erwähnenswert ist die Bartholomäus-Kirche, ein kleiner hoher nur mit Bildern geschmückter Raum, wo die Menschen kamen und nach Lust und Laune sangen, denn in dieser Kirche gab es den herrlichsten Klang und Widerhall. Die Besichtigungsgruppe sang auch. Tolle Sache, wirklich. Mittagessen und dann nachmittags war das erste Einzelgespräch.
Frau Trauer entschied sich für drei Tage Aufenthalt. Das schloss noch zwei Einzelgespräche ein, sowie einen Klosterrundgang und Zeit zur Besinnung und Stille und z. B. zum Spazieren gehen. Als Kommentar zu den Einzelgesprächen gab Frau Trauer tief gewonnene Erkenntnisse über sich selbst an, auf die sie alleine nie gekommen wäre und sogar gab es erste Schritte für das Leben zu Hause. Viele Tränen konnte sie einfach dort weinen. Zwar war ihr an sich das Klosterleben fremd, aber die Freundlichkeit und das sich Zeit nehmen für sie, die offene Aufnahme, gaben ihr tatsächlich neuen Mut und die Kraft, zurechtkommen zu wollen, für sich zu sorgen und sich auch wieder zu mögen. Buchtipps fehlten auch nicht. Natürlich haben die vier Tage nicht Frau Trauers Leben umgekrempelt, aber es gilt immer wieder aufzustehen und neu an zu fangen und weiter zu machen. Bei Bedarf könnte Frau Trauer immer mal wieder mit Absprache einen Besinnungstag im Kloster verbringen.

Frau Trauer hatte hier erstmal für sich gekämpft. Na, das ist doch sicher ein Anfang. Und nun zurück nach Hause!

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